Meinung

Nutznießer der Pandemie: Deutsche Milliardäre

In der Pandemie konnten Milliardäre ihr Vermögen um 60 Prozent steigern. Ein deutscher Top-Ökonom fordert: Sie haben hinzugewonnen, also können sie sich auch an Kosten beteiligen. Ansonsten sei der soziale Frieden in der Bundesrepublik in Gefahr.
Nutznießer der Pandemie: Deutsche MilliardäreQuelle: www.globallookpress.com

von Matthias Lindner

Für die Superreichen – auch in Deutschland – war die Pandemie ein Segen – die anderen hatten mitunter enorme Einbußen zu verkraften. Ende Mai schrieb Marcel Fratzscher, Ökonom und Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): Die Zahl der Milliardäre ist im letzten Jahr auf gut 2.700 gestiegen. Sie konnten ihr Vermögen um 60 Prozent steigern. Für sie war es "das finanziell erfolgreichste Jahr in der Menschheitsgeschichte", obwohl – aber auch weil – die weltweite Wirtschaft um 3,3 Prozent einbrach.

Deutschland macht dabei keine Ausnahme: Die Zahl der Milliardäre sei hierzulande um 29 auf 136 Personen gestiegen, so Fratzscher. Deren Vermögen sei im letzten Jahr um 100 Milliarden Euro gewachsen – während die deutsche Wirtschaftsleistung im gleichen Zeitraum um rund 170 Milliarden Euro sank.

Dennoch warnt er aber, man solle sich davor hüten, in eine Neiddebatte zu geraten. "Zahlreiche Hochvermögende haben in der Pandemie einen enorm wertvollen Beitrag zur Bekämpfung der Krise geleistet und dadurch ihre Vermögen vergrößern können", so Fratzscher. Ihnen würde kaum jemand den finanziellen Erfolg neiden.

Er verweist dabei auf die Gründer von BioNTech, vergisst aber offenbar zu sagen: Ohne die 370 Millionen Euro aus dem Haushalt der Bundesregierung, um diesen Impfstoff zu entwickeln, ohne die aufdringliche Impfkampagne und ohne die quasi staatlichen Abnahmegarantien hätte sich der alle Erwartungen weit übertreffende finanzielle Erfolg dieses Unternehmens sicherlich nicht eingestellt. Privater Reichtum auf gesellschaftliche und staatliche Kosten? Das kann durchaus ein Grund sein, sich zu empören.

Schadensersatzansprüche für Unternehmen?

Fratzscher will aber auf ein anderes Problem hinaus: Nur wenige der Superreichen hätten ihre Vermögen durch eine aktive Pandemiebekämpfung vergrößert. Die meisten hätten lediglich an den boomenden Aktienmärkten verdient, die florierten, während sich die Weltwirtschaft in einer tiefen Rezession befand.

Einerseits hätten die Notenbanken viel Geld in den Markt gepumpt, um die Zinsen niedrig zu halten. Das hatte dazu geführt, dass ein Großteil verfügbaren Geldes noch stärker in Aktien investiert wurde und deren Kurse befeuerte. Aber auch die direkten Unternehmenshilfen haben nicht nur vielen Firmen das Überleben gesichert, sondern zugleich damit auch ihre Position am Markt gestärkt. Mit ihnen natürlich auch die Buchwerte der Aktienbesitzer.

"So haben beispielsweise die im DAX gelisteten Unternehmen in Deutschland im ersten Quartal 2021 die größten Gewinne der vergangenen zehn Jahre gemacht."

Nicht selten hätten sie staatliche Hilfen in Anspruch genommen, mit staatlicher Unterstützung die Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt, gleichzeitig aber ihren Aktionären hohe Dividenden ausgeschüttet.

Gut 200 Milliarden Euro hat die Bundesrepublik an staatlichen Schulden aufgenommen – und in die private Wirtschaft gepumpt, um eine Krise samt steigender Arbeitslosigkeit zu verhindern. Von 2026 bis 2042 sollen jährlich 15 Milliarden Euro Schulden getilgt werden – und zwar vom Steuerzahler.

Die Lasten für die Steuerzahler könnten aber durchaus noch größer werden. Das Handelsblatt berichtet nun, dass tausende Unternehmer Beschwerde gegen den "Lockdown" beim Bundesverfassungsgericht eingereicht haben. Das ist die notwendige Grundlage dafür, möglicherweise Schadensersatzansprüche geltend machen zu können.

Mit dabei sind der Textil-Discounter KiK, der Sporthändlerverbund Intersport, Schuhhändler und Hunderte von gebeutelten Gastronomen. Unter anderem argumentieren die Unternehmer, durch die staatlichen Eingriffe hätten sie ein "Sonderopfer" zugunsten des Allgemeinwohls erbracht. Deshalb beharren sie auf einem Anspruch nach Entschädigung. Allein der Handelskonzern Galeria Karstadt Kaufhof verlangt demnach eine dreistellige Milliardensumme.

Soziale Verwerfungen könnten zunehmen

Sie agieren aber nicht nur als Folge der Corona-Pandemie, sondern auch aufgrund von Überlegungen, wie das Infektionsschutzgesetz in Zukunft angewendet werden könnte. "Wenn wir das Infektionsschutzgesetz eng auslegen, könnte uns in Zukunft jede normale Grippe wieder in den Lockdown schicken", sagte demnach Markus Diekmann, Sprecher der Initiative "Händler helfen Händlern".

Die Zeichen stehen so, dass die sozialen Verwerfungen zunehmen könnten. Denn die Hilfsgelder, die günstigen Kredite und die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank könnten auf langfristige Sicht dazu führen, dass vieles teurer wird: Energie und Lebensmittel zum Beispiel. Das wird dann wieder in erster Linie diejenigen belasten, die ohnehin mit ihren sehr überschaubaren Einkommen kaum über die Runden kommen.

Weil die Superreichen in der Corona-Pandemie ein besonders großes Stück vom Kuchen abbekamen, während andere den Gürtel enger schnallen mussten, sollten sie auch an den Lasten der Pandemie beteiligt werden. Die Lasten sollten "fair auf die Schultern aller Bürgerinnen und Bürger verteilt werden", so meint Fratzscher. Aber was er sich konkret darunter vorstellt, schrieb er leider nicht. Würde die "entstandene Unwucht aber nicht korrigiert, könnte dies verheerende Folgen für den sozialen Frieden und für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands haben".

Dass sich die Reichen wirklich angemessen an den Kosten für Corona beteiligen, glaubt der Soziologieprofessor Michael Hartmann keineswegs. Dem Hessischen Rundfunk sagte er im März, die Bereitschaft unter ihnen werde minimal sein. "Wenn es um höhere Steuern geht, ist bei 95 Prozent sofort Ende der Debatte." Die Freundschaft höre auf, sobald es ums Geld gehe.

Wer am Ende die Zeche der Corona-Politik zahlen muss, ist noch offen. Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken im Bundestag, hatte aber schon im Oktober deutlich gemacht: Werden die Milliardäre nicht zur Kasse gebeten, dann drohe "der Kürzungshammer beim Sozialstaat und bei der Infrastruktur".

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